Die Ausgangssituation
Im Jahre 2019 übernahm die BS Kulturstiftung von Donatus Landgraf von Hessen den „Spanischen Turm“ und das umliegende Gelände auf der Basis eines über 30 Jahre abgeschlossenen Erbpachtvertrages. Ziel der Stiftung ist es, auf dem etwa 6000 qm großen Gelände einen Skulpturengarten einzurichten und den Spanischen Turm fach- und denkmalgerecht zu sanieren.
Skulpturengarten und Turm sollen sich in das Gesamtensemble des Parks Rosenhöhe harmonisch einfügen. Es ist vorgesehen, den vorhandenen Bestand an Laubbäumen zu erhalten und mit zusätzlichen Büschen und Stauden zu erweitern, um nicht nur den Parkcharakter zu fördern, sondern auch Kleintieren und Vögeln Rückzugsmöglichkeiten zu bieten.
Die Sanierung des Turms beinhaltet umfangreiche Arbeiten an allen Gewerken. Nach aufwändigen Erschließungsarbeiten auf dem Gelände und dem Abbruch nicht denkmalrelevanter Nebengebäude werden umfassende Maßnahmen am Dachstuhl und an der Eindeckung des Gebäudes sowie der Einbau denkmalgerechter Fenster und Türen durchgeführt. Weiterhin steht die Sanierung der kompletten elektro- und sanitärtechnischen Installationen sowie aller innen- und außenliegenden Putzflächen an. Zeitgleich ist die Erneuerung der wärmetechnischen Versorgung geplant. Alle Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung mit dem städtischen Denkmalschutz unter Einbeziehung von Fachgutachtern und Restauratoren.
Die Sanierung des Spanischen Turms wird durch eine Zuwendung des Landes Hessen – Ministerium für Wissenschaft und Kunst – gefördert. Das Projekt wird außerdem von einer Crowdfunding-Kampagne mit Unterstützung der Sparkasse Darmstadt begleitet, die eine direkte Beteiligung der Öffentlichkeit an den Sanierungsmaßnahmen ermöglicht.
Die historischen Grundlagen
Die Bau- und Nutzungsgeschichte des Turms ist aufgrund der unzureichenden Quellenlage bis heute nicht abschließend geklärt. Zahleiche Spekulationen ranken sich um seine Entstehung und seine Funktion. Erst ein im Zusammenhang mit der jetzigen Maßnahme beauftragtes restauratorisches Gutachten und umfangeiche Archivrecherchen konnten neue Hinweise zur Baugeschichte und zur ursprünglichen Bestimmung des Denkmals liefern.
Tatsächlich weisen die Befunde darauf hin, dass das Erdgeschoss des Turms in einem ersten Bauabschnitt wahrscheinlich als künstliche Ruine Ende des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. In den Quellen wird ein Garten des Geheimen Rats Andreas Peter von Hesse, eines Schwagers Johann Gottfried Herders, auf dem Busenberg, der heutigen Rosenhöhe, erwähnt. Dieser Garten war wohl ausgestattet mit einer künstlichen Ruine, der sog. „Altenburg“ die als Treffpunkt des Kreises der Empfindsamen diente. Wenngleich bis heute nicht zweifelsfrei gesichert, ist es durchaus denkbar, dass die Altenburg und der Ursprungsbau des Spanischen Turms identisch waren.
1853 erfolgte unter Prinz Carl, dem Sohn der Großherzogin Wilhelmine, eine Aufstockung des Turmstumpfes um weitere zwei Geschosse sowie der Anbau eines Treppenturms. Auf Carl geht auch die Bezeichnung „Spanischer Turm“ zurück, den er als „Chateau d’Espagne“, also als Luftschloss, als realitätsfernen Sehnsuchtsort, bezeichnete. In der Folgezeit wurde im angrenzenden Gartenbereich ein ausgedehntes Wegerondell gestaltet, was eine Nutzung der Anlage als Lustgarten und Rückzugsmöglichkeit für das fürstliche Haus nahelegt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand unter Großherzog Ernst Ludwig eine Umgestaltung zu Wohnzwecken statt, die auch eine Erweiterung mit einem eingeschossigen Anbau umfasste. Von 1932 bis 1942 war die Anlage an den „Baumwärter“ Johannes Koch vermietet. In der Nachkriegszeit wurden weitere Maßnahmen zur wohnlichen Ausgestaltung in Verbindung mit einer gartenbaulichen Nutzung durchgeführt. Nach der Schließung des gärtnerischen Betriebs war das Areal noch teilweise bewohnt, verfiel jedoch zunehmend, bis es die BS Kulturstiftung seiner neuen Bestimmung zuführte.
Die zukünftige Nutzung
Mit ihrer Wegeführung entspricht die neu gestaltete Gartenanlage in ihren Grundzügen jenem fürstlichen Wegerondell, das auf die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Nicht nur der auf seinen Zustand um 1853 zurückgebaute Turm, sondern auch der heutige Skulpturengarten erweisen damit dem historischen Vorbild Reverenz.
Auf dem Gartengelände sind wechselnde Ausstellungen geplant, die die Geschichte der Darmstädter Bildhauerei, insbesondere das plastische Schaffen der auf der Rosenhöhe ansässigen „Neuen Künstlerkolonie“ widerspiegeln. Zugleich sollen bildnerische Werke namhafter internationaler Künstler präsentiert werden, die der Stadt Darmstadt seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Verleihung des Wilhelm-Loth-Preises verbunden sind.
Die BS Kulturstiftung möchte mit diesem Ansatz einerseits den Ortsbezug zum bildnerischen Schaffen auf der Rosenhöhe und damit zur künstlerischen Tradition Darmstadts unterstreichen. Andererseits soll die Verbundenheit mit dem seit 2018 von der Stiftung geförderten Wilhelm-Loth-Preis zum Ausdruck gebracht werden.
Als Auftaktveranstaltung ist im Jahr 2020 eine Ausstellung zu Ehren Wilhelm Loths beabsichtigt, dessen Geburtstag sich im September 2020 zum 100. Male jährt. Angestrebt ist die Präsentation von ca. 20 Plastiken aus allen Schaffensphasen des Künstlers.
Die Stadt Darmstadt gewinnt mit der geplanten Anlage eine neue Kultureinrichtung, die sich attraktivitätssteigernd in die Welterbe-Konzeption der angrenzenden Mathildenhöhe einfügen und zu einem kulturellen Höhepunkt und Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Rhein-Main-Region avancieren wird.
Bettina John-Willeke