Die Ausstellung
Am 24. September 2020 wäre der 1993 verstorbene Darmstädter Bildhauer Wilhelm Loth 100 Jahre alt geworden. Der vor allem für seine charakteristischen Frauentorsi bekannte Künstler ist noch heute im kulturellen Leben seiner Heimatstadt gegenwärtig, etwa als Initiator des Darmstädter Kunstpreises, den er selbst im Jahre 1955 erhielt. Die Auszeichnung, die seit 1995 seinen Namen trägt, wird von der Stadt Darmstadt regelmäßig an renommierte nationale und internationale Künstler vergeben. Seit ihrer Gründung unterstützt die BS Kulturstiftung die Preisverleihung und ist Wilhelm Loth damit auf besondere Weise verbunden. Um diese Verbundenheit zu unterstreichen, gedenkt die Stiftung des Künstlers mit einer Retrospektive anlässlich der Eröffnung ihres neuen Skulpturengartens am Spanischen Turm auf der Darmstädter Rosenhöhe.
Die rund 20 Plastiken aus allen Schaffensphasen Wilhelm Loths stammen vorwiegend aus dem Nachlass, der von seinem Neffen Alexander Heil (Karlsruhe) verwaltet wird. Als erste reine Freiluftausstellung des Künstlers verspricht die Werkschau einen spannenden Dialog zwischen der gestalteten menschlichen Form und dem sie umgebenden Landschaftsraum am Rande des Naturdenkmals Rosenhöhe.
Der Künstler
Der Bildhauer und Zeichner Wilhelm Loth ist durch sein innovatives künstlerisches Schaffen für die Stadt Darmstadt noch heute von besonderer Bedeutung. Nicht zuletzt als Mitinitiator des 1. Darmstädter Gesprächs "Das Menschenbild in unserer Zeit" im Jahre 1951 prägt Loth die städtische Kulturszene der Nachkriegszeit und verschafft ihr internationale Aufmerksamkeit. Auch indem er sich für die Neugründung der „Darmstädter Sezession“ engagiert, deren Vorsitz er 1953 übernimmt, hat er maßgeblichen Anteil am kulturellen Wiederaufbau seiner Heimatstadt.
Geboren unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, beginnt Loth bereits früh eine Ausbildung zum Vermessungstechniker und nimmt daneben Privatunterricht in Bildhauerei und Malerei bei Fritz Schwarzbeck. Der Kontakt zu Käthe Kollwitz veranlasst ihn, sich fortan vermehrt der Bildhauerei zuzuwenden. Eine Ausbildung an der Frankfurter Städelschule scheitert wegen der politischen Haltung des Vaters, so dass Loth nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft ab 1947 ein Studium an der Werkkunstschule in seiner Heimatstadt beginnt. Bereits im Folgejahr wechselt er als Assistent des Bildhauers Hermann Geibel an die dortige Technische Hochschule und übernimmt von 1954 bis 1956 am Lehrstuhl für Freies Zeichnen und Angewandte Plastik eine Lehrtätigkeit. 1958 wird er als Leiter einer Bildhauerklasse an die Kunstakademie Karlsruhe berufen, an der er ab 1960 als Professor bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1986 tätig ist.
Bereits seit 1948 ist Loth in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen im In- und Ausland vertreten. Diverse Ehrungen und Auszeichnungen, neben dem Darmstädter Kunstpreis 1955 etwa der Große Kunstpreis für Plastik der Stadt Köln 1956, das Bundesverdienstkreuz am Bande im Jahre 1979 oder die Stipendien der Villa Massimo in Rom 1959 und 1986, begleiten seine künstlerische Tätigkeit.
Das Werk
Wilhelm Loth ist in seinem Schaffen stets der menschlichen, insbesondere der weiblichen Gestalt verpflichtet. Auf der Suche nach einem neuen Menschenbild wird er Teil einer Künstlergeneration, die nach einer veränderten, von der Vergangenheit unbelasteten Wiedergabe figurativer Inhalte strebt. Dieses Streben spiegelt sich im Werk Wilhelm Loths zeitlebens n der geradezu obsessiven Ausrichtung auf ein Thema, das alle Phasen seiner künstlerischen Tätigkeit durchdringt: die Darstellung des unbekleideten weiblichen Körpers.
Von figürlicher Individualität und zugleich abstrakt, wird der Akt für Loth zum Symbol eines modernen Selbstverständnisses und eines zeitgemäßen Bildes der Frau. Jedoch entsprechen seine Torsi aus Bronze, Aluminium, Eisen, Neusilber, Ton, Gips oder auch Kunststoff weder einem gängigen Schönheitsideal noch sind sie Ausdruck klassischer Vollkommenheit, stattdessen greift Loth nach eigener Aussage zurück auf „…jene Formen, die das reale Leben anbietet.“
In seiner naturnahen, von großer körperlicher Präsenz gekennzeichneten Figurenauffassung beweist Wilhelm Loth inhaltlich wie formal höchste Konsequenz. Innovativ und einzigartig gleichermaßen, gelingt es ihm, das plastische Schaffen in Deutschland in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert maßgeblich zu bereichern.
Die Wirkung
Ziel ist es, mit einer Ausstellung anlässlich seines 100. Geburtstags an einen zentralen Vertreter der Darmstädter Kunstszene zu erinnern, sein künstlerisches Tun zu würdigen und damit das kulturelle Erbe der Stadt zu erhalten und einer Neubetrachtung zuzuführen.
Das Projekt zeichnet sich neben seiner lokalen Wirkung auch durch seine überregionale Qualität aus, da der in Darmstadt ausgebildete Bildhauer Wilhelm Loth der plastischen Tradition seiner Heimatstadt nicht zuletzt durch seine Professur an der Staatliche Kunstakademie in Karlsruhe deutschlandweit Geltung verschaffte.
Mit ihrem neuen Skulpturengarten am Spanischen Turm beabsichtigt die BS Kulturstiftung, der bildhauerischen Tradition Darmstadts ein Forum zu geben, welches insbesondere das plastische Schaffen der auf der Rosenhöhe ansässigen Vertreter der "Neuen Künstlerkolonie" berücksichtigt. Doch auch jene nationalen und internationalen Künstler sollen auf dem Ausstellungsgelände präsentiert werden, die mit der Stadt Darmstadt etwa dadurch in Verbindung stehen, dass ihnen der Wilhelm-Loth-Preis zuerkannt wurde. Wilhelm Loth selbst, der auf der Rosenhöhe lebte und arbeitete, erfüllt diese Kriterien geradezu beispielhaft.
Bettina John-Willeke